Wir haben auch diejenigen befragt, die nach der Kommunalwahl Chefin oder Chef in der Verwaltung werden wollen: die amtierende Bürgermeisterin Carolin Weitzel (CDU) und ihren Herausforderer Thommy Mewes (Bündnis 90/Die Grünen). Während Thommy Mewes sehr ausführlich geantwortet hat, haben wir von der amtierenden Bürgermeisterin trotz Erinnerung und Zusage keine Antworten bekommen.
Frage 1: Bezahlbare Wohnungen
Wohnen muss für alle Bevölkerungsschichten bezahlbar werden. Dafür zu sorgen ist auch eine Aufgabe der Kommunalpolitik.
- Was haben Sie in der letzten Ratsperiode getan, um das Angebot an öffentlich geförderten Wohnungen zu erhöhen? Was wollen Sie zukünftig tun?
Thommy Mewes: Für die Zukunft ist mein Ansatz sehr klar: Wir müssen das Thema „bezahlbarer Wohnraum“ als städtische Aufgabe ernst nehmen und die Steuerungsmöglichkeiten, die wir als Stadt haben, konsequent nutzen.
Ziel muss eine verbindliche Quote von mindestens 30 Prozent für öffentlich geförderte Wohnungen bei Neubauprojekten sein, damit wir nicht nur teure Einfamilienhäuser, sondern auch sozial ausgewogene Nachbarschaften schaffen. Zusätzlich möchte ich die Verwaltung so aufstellen, dass sie solche Projekte auch tatsächlich begleiten und realisieren kann. Denn bisher scheitern gute Ideen oft schon an überlasteten Strukturen und fehlender Priorisierung.
Frage 2: Bezahlbare Grundstücke
Die Preise für bebaubare Grundstücke steigen. Das Angebot ist gering. Neues Bauland wurde kaum geschaffen.
- Wie stellen Sie sicher, dass in neuen Wohngebieten flächen- und energiesparend sowie generell ressourcenschonend gebaut wird?
- Für welche Wohnbauflächen haben sie in den vergangenen Jahren Baureife geschaffen? Wo wollen Sie in den nächsten neue Wohnbauflächen schaffen? Setzen Sie sich dafür ein, städtische Wohnbaugrundstücke in Erbbaupacht zu vergeben?
Thommy Mewes: Ich möchte einen klaren und verlässlichen Rahmen schaffen, der soziale Ziele sichert.
Ein zentrales Instrument dazu ist für mich die Erbbaupacht. Ich will erreichen, dass städtische Grundstücke künftig nach Möglichkeit im Erbbaurecht vergeben werden. Das senkt die Einstiegskosten für Bauwillige erheblich und stellt zugleich sicher, dass Wertsteigerungen langfristig in öffentlicher Hand bleiben. Damit können wir gezielt auch Projekte fördern, die nicht auf maximale Rendite setzen, sondern auf bezahlbaren, gemeinschaftlichen und generationengerechten Wohnraum. Das ist keine neue Idee, sondern in vielen Städten ein erprobtes Mittel, um Spekulation zu verhindern und soziale Ziele dauerhaft abzusichern.

Darüber hinaus strebe ich eine ehrliche, differenzierte Flächenstrategie an. Wir müssen gemeinsam mit Verwaltung, Politik und vor allem auch engagierten Akteuren wie Ihrem Verein ermitteln, welche Flächenpotenziale sich tatsächlich für Wohnbau eignen. Dabei möchte ich auf Nachverdichtung, Baulücken, Konversionsflächen und die Umnutzung bestehender Areale setzen. Mein Ziel ist es, weitere Zersiedelung auf der grünen Wiese zu minimieren und Lösungen für unsere wachsende Stadt zu finden.
Nicht zuletzt möchte ich Kooperationen mit Genossenschaften, sozialen Trägern und privaten Investoren fördern, die bereit sind, solche Ziele aktiv mitzutragen. Die Stadt soll hier nicht Zuschauerin, sondern aktive Partnerin sein, die Bodenpolitik als Instrument zur Gestaltung sozial gerechter und ökologisch verantwortlicher Quartiere nutzt.
Wir müssen ehrlich sein: Das wird nur funktionieren, wenn wir ökologische Standards zur verbindlichen Grundlage machen und nicht zur freiwilligen Option.
Ich werde mich dafür einsetzen, dass Bebauungspläne klare Vorgaben zur Energieeffizienz und ressourcenschonenden Bauweise enthalten. Dazu gehören verpflichtende Standards für energiesparende Gebäude, regenerative Energiequellen wie Photovoltaik oder Wärmepumpen, Regenwassermanagement und eine konsequent reduzierte Flächenversiegelung.
Besonders wichtig ist mir dabei die intelligente Flächennutzung. Statt weiter auf großflächige Einfamilienhausgebiete zu setzen, möchte ich kompaktere, gemischt genutzte Quartiere fördern, die gemeinschaftliches und generationengerechtes Wohnen ermöglichen. Solche Konzepte nutzen den Raum effizienter, stärken die Nachbarschaft und er leichtern auch soziale Teilhabe.
Ressourcenschonung endet für mich aber nicht am Grundstücksrand. Deshalb will ich darauf achten, dass neue Wohngebiete gut an den ÖPNV angebunden sind, Nahversorgung und soziale Infrastruktur vorsehen und auch Begegnungsräume wie Plätze, Gemeinschaftsgärten und Kulturangebote mitdenken. Eine Stadtentwicklung, die Klima- und Ressourcenschutz ernst nimmt, plant das alles gemeinsam.
Frage 3: Wandel in den Baugebieten
In den Baugebieten der 70er, 80er und 90er Jahre dominiert das Einfamilienhaus. Die Siedlungen sind in die Jahre gekommen. In vielen dieser Häuser leben nach dem Fortzug der Kinder und dem Tode des Lebenspartners nur noch Singles, die bereit wären, ihre Häuser zu verkaufen und sich kleiner zu setzen. Doch im Umfeld gibt es dazu kein passendes Angebot.
- Welche Vorschläge machen Sie, neue Angebote zu schaffen? Welche Beratungsmöglichkeiten kann die Stadt den Menschen anbieten?
Thommy Mewes: Ich halte es für eine zentrale Aufgabe, Menschen beim Umzug in kleinere, altersgerechte Wohnungen aktiv zu unterstützen. Diesen Wandel möchte ich aktiv gestalten und nicht dem Zufall überlassen.
Dazu gehört zunächst eine umfassende Bestandsanalyse: Wo gibt es tatsächlich Potenzial für eine Umnutzung, Teilung oder Nachverdichtung? Wo können bestehende Gebäude zu Mehrgenerationenhäusern umgebaut werden? Wo können auf großen Grundstücken kleinere Einheiten entstehen, die für Seniorinnen und Senioren attraktiv sind? Ich halte es für notwendig, dass die Stadt hier eine beratende und steuernde Rolle übernimmt.
Ein zentrales Element könnte eine zentrale Beratungsstelle sein, die Eigentümerinnen und Eigentümer aktiv unterstützt. Viele Menschen wollen sich im Alter verkleinern, wissen aber nicht, wie sie das organisieren sollen oder fürchten die Komplexität. Diese Beratungsstelle könnte beim Verkauf oder der Vermietung, beim Umbau, bei Förderprogrammen und bei der Suche nach passenden neuen Wohnformen helfen. Eine Möglichkeit der schnellen Aktivierung einer solchen Beratungsstelle könnte die Unterstützung von Vereinen wie Ihrem sein.
Zudem möchte ich Modellprojekte fördern. Das können z.B. Kooperationen mit Genossenschaften oder sozialen Trägern sein, die gemeinsam mit Eigentümerinnen und Eigentümern neue Wohnformen entwickeln. Ich bin überzeugt, dass die Lösung nicht im Neubau auf der grünen Wiese liegt, sondern im intelligenten Umbau und der Weiterentwicklung von gewachsenen Siedlungen.
Frage 4: Häusliche Pflege/Pflegeplätze
- Die Bevölkerung in Erftstadt altert. Schon heute ist der Altersdurchschnitt hoch. Der Bedarf an Pflegeangeboten und -plätzen wird steigen.
- Wie wollen sie das Angebot an häuslicher und stationärer Pflege verbessern? Welche konkreten Schritte schlagen Sie für die nächsten fünf Jahre vor?
Thommy Mewes: Sie haben es in der Frage schon gesagt: Die demografische Entwicklung ist eindeutig. Wir werden in den nächsten Jahren deutlich mehr ältere Menschen haben, die auf Pflege und Unterstützung angewiesen sind. Das dürfen wir nicht ignorieren.
Ein positiver Schritt ist, dass aktuell eine Pflegeschule in Erftstadt gebaut wird, um mehr Fachkräfte vor Ort auszubilden. Das begrüße ich ausdrücklich. Dennoch müssen wir ehrlich sagen: Insgesamt ist die kommunale Pflegeplanung in den letzten Jahren viel zu zögerlich angegangen worden. Hier braucht es mehr Entschlossenheit und bessere Koordination.
Als Bürgermeister kann ich keine neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen, denn das ist Aufgabe von Bund und Land. Aber ich kann sehr wohl dafür sorgen, dass Erftstadt die Möglichkeiten, die es hat, konsequent nutzt und koordiniert. Ziel sollte eine verlässliche, wohnortnahe und selbstbestimmte Pflege sein, die die Menschen so lange wie möglich in ihrem vertrauten Umfeld leben lässt.
- Wir brauchen eine verlässliche, kontinuierliche Bedarfsanalyse und eine koordinierte Strategie, die alle Anbieter, Wohlfahrtsverbände und Träger einbindet. Nur so können wir vorausschauend steuern, wo stationäre Plätze fehlen und wo ambulante Dienste gestärkt werden müssen.
- Ich will als Bürgermeister dafür sorgen, dass Investoren, Träger und Wohlfahrtsverbände nicht an langen Verfahren oder mangelnder Unterstützung scheitern. Das bedeutet transparente Prozesse, klarere Zuständigkeiten im Rathaus und aktive Kommunikation.
- Großes Potenzial sehe ich in innovativen Wohn- und Pflegeformen wie betreutem Wohnen, Pflege-WGs oder Mehrgenerationenhäusern mit integrierter Unterstützung. Diese Wohnformen will ich planerisch absichern und aktiv fördern, auch durch städtische Flächenangebote im Erbbaurecht und durch die Zusammenarbeit mit Genossenschaften und Vereinen.
Nur wenn wir Pflege als Teil einer integrierten Stadt(teil)entwicklung denken und alle Akteure frühzeitig einbinden, können wir den steigenden Bedarf sozial gerecht und wirtschaftlich tragfähig bewältigen.
Frage 5: Gemeinsam statt einsam wohnen
Das Motto unseres Vereins heißt „Gemeinsam statt einsam wohnen“. Das gilt für ältere Wohngemeinschaften, aber auch für das Zusammenleben von mehreren Generationen.
- Werden Sie den Bau von Wohnformen unterstützen, die gemeinsames Wohnen zum Ziel haben. Wenn Ja, wie?
Gemeinsam Wohnen heißt nicht zuletzt, in den Wohnquartieren Treffpunkte zu schaffen. Dazu zählen für uns gute Spiel- und Freizeitflächen in den einzelnen Stadtquartieren für alle Altersgruppen, dazu gehören etwa Grillhütten, Gemeinschaftsgärten, Orte für kulturelle Veranstaltungen oder Gemeinschaftsräume als soziale Treffpunkte.
- Welche Vorstellungen haben Sie?
Thommy Mewes: Ihr Vereinsmotto trifft den Nerv unserer Zeit, und genau da möchte ich auch als Bürgermeister ansetzen. Gemeinschaftliche Wohnformen sind nicht nur eine Antwort auf Einsamkeit im Alter, sondern auch ein Schlüssel für bezahlbares, nachhaltiges und generationengerechtes Wohnen.
Ja, ich will den Bau solcher Wohnformen aktiv unterstützen. Und zwar auf mehreren Ebenen:
- Ich möchte die städtische Bauleitplanung so gestalten, dass Projekte für gemeinschaftliches Wohnen von Anfang an berücksichtigt werden. Das heißt: Bebauungspläne müssen solche Konzepte explizit zulassen und fördern, nicht behindern. Ich möchte, dass dafür auch konkrete Flächen ausgewiesen werden.
- Ich setze auf aktive Unterstützung und Begleitung durch die Verwaltung. Ich möchte eine Anlaufstelle scha en, die Initiativen bei Planung, Finanzierung und Förderanträ gen berät und sie mit Partnern vernetzt. Gerade kleinere Gruppen scheitern oft an der Komplexität solcher Vorhaben, hier soll die Stadt helfen, nicht im Weg stehen.
- Ich möchte Förderprogramme von Land und Bund gezielt nutzen und bekannt machen, damit gemeinschaftliche Wohnformen auch bei uns eine echte Chance haben. Dafür braucht es ein klares kommunales Konzept und die Bereitschaft, mit Genossenschaften, Wohlfahrtsverbänden und privaten Investoren partnerschaftlich zusammenzuarbeiten.
Ich möchte, dass Erftstadt solche Initiativen nicht nur duldet, sondern aktiv ermöglicht und fördert.
Ich teile Ihre Ansicht. Treffpunkte und gemeinsame Räume sind kein Luxus, sondern eine zentrale Voraussetzung für eine lebenswerte, soziale und generationengerechte Stadt. Gerade in einer Flächengemeinde wie Erftstadt dürfen wir nicht zulassen, dass einzelne Ortsteile abgehängt werden oder die soziale Isolation zunimmt, nur weil man im „falschen“ Stadtteil lebt.
Ich möchte die Stadtentwicklung so ausrichten, dass Treffpunkte systematisch mitgedacht, geplant und finanziert und nicht nur als schmückendes Beiwerk gesehen werden.
Konkret bedeutet das für mich:
- Bestehende öffentliche Räume wie Plätze, Parks und Wege müssen gepflegt und gezielt aufgewertet werden. Dazu gehören gute Beleuchtung, barrierefreie Zugänge, Sitzgelegenheiten und eine klare Gestaltung, die Sicherheit und Begegnung fördert.
- Gemeinschaftsgärten, Spiel- und Freizeitflächen will ich als gelebte Orte der Nachbarschaft aktiv fördern. Hier können Menschen aller Generationen zusammenkommen, sich austauschen und gemeinsam Verantwortung übernehmen.
- Darüber hinaus will ich neue Modelle prüfen, in denen soziale und kulturelle Angebote gebündelt werden. Zum Beispiel kombinierte Nachbarschaftszentren, die Beratung, Kulturveranstaltungen, Ehrenamtsarbeit und offene Treffpunkte unter einem Dach vereinen.
Entscheidend ist aber, dass solche Orte nicht zentralistisch „von oben“ durchgeplant werden. Ich möchte, dass Bürgerinnen und Bürger, Initiativen und Vereine hier echte Mitsprache haben, von der Ideenfindung bis zur konkreten Gestaltung. Beteiligung soll keine Pflichtübung sein, sondern ein echter Prozess, der dafür sorgt, dass am Ende Räume entstehen, die auch wirklich genutzt werden.